Endlich war es soweit. Ich hatte die Gelegenheit nach Barcelona zu reisen und an der OFFF-Design-Konferenz im Museu del Disseny de Barcelona teilzunehmen, von der ich schon so viel gehört hatte. Ein renommiertes Design-Festival, was im kommenden Jahr sein 20-jähriges feiert und nicht nur in Barcelona, sondern in diversen Städten weltweit gastiert. Die nächste OFFF findet noch dieses Jahr, 4.–5. Oktober in Wien statt. An drei Tagen, 25.–27.4.2019, konnte mensch sich ein breitgefächertes Programm an Vorträgen, Filmen und Workshops zum Thema Grafikdesign, Illustration, Film, visuelle und multimediale Kommunikation und digitale Kunst anschauen. Die Agenda klang verlockend, unter anderem gespickt mit internationalen Stars der Designszene, die meine Erwartungen im Vorfeld schon sehr in die Höhe trieben. Ernüchterung schon am ersten Tag Im Großen und Ganzen lief das Designfestival so ab, dass eine Fachperson aus dem Bereich Illustration, Grafik, Motion, Audio, Film oder/und Werbung auf die Bühne trat und eigene Arbeiten präsentierte. Die Aufmachung der gezeigten Projekte war mit starker Effekten überladen. Die Präsentierenden zeigten ihre Arbeiten meist in Form eines Showreels, einem Film, oder einer Animation statischer oder filmischer Arbeiten, mit schnellen Schnitten und lauter Musik, worauf das Publikum lautstark applaudierte. Ich kam mir vor wie in einem lebensgroßen Instagram-Stream, den es zu liken galt: Höher, schneller, weiter, lauter, geiler, noch geiler. Ohne zack zack und bumm bumm scheint in dieser Branche nichts mehr zu laufen, oder niemanden mehr zu beeindrucken? Neben dem gewaltigen gebashe gab es am ersten Konferenztag doch ein Highlight, was mich stark beeindruckt hat: Edel Rodriguez – ein Illustrator, der von Cuba nach New York ausgewandert war und seine politischen (Trump-kritischen) Arbeiten als Streetart in den Straßen NYCs plakatiert, an denen auch der Spiegel und die Times gefallen gefunden haben. Seine Message: »The power of an image!« – das Bilder Menschen erreichen können und Proteste auslösen können und Menschen motivieren ihre Meinung zu sagen – das hat mich sehr beeindruckt! Lebe ich in einer »Green Bubble«? Angesichts so vieler globaler Probleme, bin ich wie selbstverständlich davon ausgegangen, auf einem so großen Podium (wie auch in meinem Facebook-Stream), mit internationalen kreativen Köpfen, viele tolle Kampagnen, »Smarte grüne Ideen« und Sichtbarmachungen der Probleme unserer Zeit vorzufinden. Die Themen wie Klima-, Euro-, Flüchtlingskrise, aufstarkender Nationalismus und Trump spielten jedoch enttäuschender Weise eine verschwindend kleine Rolle auf dieser OFFF-Konferenz. Statt dessen tönte es von hippen Agentur-Vertretern (in diesem Fall tatsächlich männlich) auf der Bühne voller Stolz: »We make things interesting!« Ich frage mich, ob dieses Credo als Daseinsberechtigung für eine Marken-Agentur in der heutigen Zeit ausreichen kann? Darauf bekam ich bunte Bildchen einer Moschino-Instagram-Modekampagne zu sehen, die mit viel Blingbling und Chichi Menschen dazu bringen soll, Begehrlichkeiten in ihnen zu wecken und ihr Geld in diese Markenartikel zu investieren. Ein Highlight, was mich jedoch hoffen ließ, war Pentagram Partner Naresh Ramchandani aus London. Er stellte die Dringlichkeit von nachhaltigem Handeln in den Vordergrund und präsentierte die Kampagnen-Reihe »Do The Green Thing«, die seit 2007 »Creativity versus Climate Change« zum Ziel hat. OFFFem-Power Glücklicher Weise waren unter den Vortragenden auch einige Frauen vertreten, trotz des männlichen Speaker-Überschusses. Sehr zu erwähnen ist hier die Grafikdesignerin und Filmemacherin Marina Willer, Pentagram Partner aus London, deren Statement – entgegen vielen anderen Podiumsprechenden – war, dass Design kein Selbstzweck ist, dass Gestaltung das Verhalten verändern kann und man sich fokussieren solle auf die wichtigen Dinge. Weitere inspirierende Frauen, deren Vorträge ich mir ansehen durfte, sind die
»Ich hasse Schönmacherei« Ein weiteres herausragendes Moment der OFFF 2019 Barcelona war die Vorführung des Films »Rams« von Gary Hutswit. Der Filmemacher begleitete den deutschen Produktdesigner Dieter Rams. Entstanden ist ein persönlicher Blick auf Leben und Werk des in die Jahre gekommen Industriedesigners, der maßgeblich für das Design und den Erfolg bekannter Braun-Produkte nach dem zweiten Weltkrieg verantwortlich ist. Seine gestalterische Handschrift besticht durch ihre Klarheit und Reduktion und war nicht zuletzt Vorbild für einige Apple-Produkte der heutigen Zeit. Mit Aussagen wie »Gutes Design ist so wenig Design wie möglich« oder »Ich hasse Schönmacherei, wir müssen die Dinge besser machen und nicht nur neu« widerspricht Rams konkret den gehörten inhaltsleeren Aussagen wie »Wir machen die Dinge interessant« – was Balsam für meine Ohren war! In seinen 10 Thesen zu gutem Produktdesign manifestierte Rams seine Vorstellungen, bei denen Nachhaltigkeit – damals wie heute – eine wichtige Rolle spielt. In seinem anschließenden Vortrag gab Gary Hutswit einen Einblick in die Arbeit mit Dieter Rams und präsentierte auch seinen vorherigen, sehr sehenswerten Film »Helvetica«, den ich jedem/jeder hier ans Herz legen möchte! Es war nicht alles schlecht Den krönenden Abschluss der OFFF Barcelona 2019 gab ein polarisierender Star der Grafikdesign Szene: David Carson. Der Anfang 60-jährige stellte sich als echtes Unterhaltungstalent heraus. Nachdem er mich und das gesamte Publikum, was sehr zahlreich erschienen war, mit abstrusen und amüsanten typografischen Fundstücken aus dem täglichen Leben unterhalten hatte, ging Carson dazu über uns Unmengen seiner grafischen Arbeiten zu zeigen. Darunter fanden sich gefühlte tausend Magazinlayouts (u.a. Surf- und Musikmagazine), Album-Covers (NIN, Bush usw.) und Anzeigen seines längst nicht beendeten Grafik-Design-Schaffens. Mir schwirrte der Kopf vor so viel Ehrfurcht und Bilderflut.
Als Carson seinen Vortrag bereits eine halbe Stunde überzogen hatte und ein Organisationsmensch ihn vom Bühnenrand dezent darauf hinwies, winkte Carson lässig ab und meinte, es würde »nur noch« eine halbe Stunde dauern. Er ließ sich nicht davon abbringen uns noch aktuelle private Videos seiner Surf- und Skate-Künsten zu zeigen und hinterher ein Foto seines blutigen Fußes, an dem der blanke Zehenknochen zu sehen war, den er sich beim surfen gebrochen hatte. Ich kam aus dem Staunen nicht mehr raus ;-P und das Publikum johlte vergnügt. »Ich weiß nicht, was die Message dahinter sein kann« meinte Carson amüsiert über seinen Output, »vielleicht, dass man sein Ding machen sollte, egal wie alt man ist.«
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